Artikel in Märkischer Allgemeine vom 28.09.2011 zur He-162:
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GESCHICHTE: Hölzerne „Wunderwaffe“
Jagdjet He 162 im Technikmuseum
BERLIN - Zitat: „Im Sommer 1944 lähmte die alliierte Luftüberlegenheit zunehmend die deutsche Rüstungsindustrie. Als Reaktion darauf sollte schnellstmöglich ein einfasches, sehr fortschrittliches Jagdflugzeug für die Luftwaffe entwickelt werden.“ So steht es auf der Tafel zum neuen Objekt. Entwickelt wurde binnen 69 Tagen der Hochleistungsjet He 162. Etwa 160 dieser „Volksjäger“ lieferte die Ernst Heinkel AG aus, schließlich sollten sie mit ihrer Fortschrittlichkeit den Krieg verlängern helfen. Heute existieren weltweit noch sieben – und ein Exemplar gehört nun dem Berliner Technikmuseum. Die Stiftung Deutsche Klassenlotterie hatte den Erwerb von einem britischen Privatier mit 545 000 Euro ermöglicht.
Die 1945 gebaute Maschine schließe eine Lücke in der hauseigenen Luftfahrtsammlung, bestätigte der für diesen Fundus zuständige Kurator Holger Steinle. In der Sammlung bestimmt. Nicht aber auf der Ausstellungsetage, wo zwischen den kreuz und quer, über- und untereinander platzierten Exponaten Lücken nicht mehr auszumachen sind – weshalb die Suche nach den jeweiligen Erklärtexten durchaus zur Schnitzeljagd werden kann. Wenn sie denn etwas erklären.
Dass die He 162 aus Holz gefertigt und mit dem auf ihrem „Rücken“ montierten BMW-Düsentriebwerk vermutete 800 Stundenkilometer schnell war, wird mitgeteilt. Gelistet ist auch die Spannweite von 7,20 Metern, die Länge von 9,05 Metern und dass sie ein Rüstgewicht von 1758 Kilogramm auf die Waage brachte. Aber dass dieses ohne großindustriellen Aufwand hergestellte und unausgereifte „Wegwerf“-Flugzeug“ von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern unter brutalen Bedingungen montiert wurde, dass es von einer in Schnelllehrgängen geschulten Hitler-Jugend gesteuert werden sollte, erfahren die Besucher nicht. Von einer Institution, die sich konzeptionell der kritischen Auseinandersetzung mit derlei „Wunderwaffen“ verschrieben hat, müssten solche Informationen jedoch zu bekommen sein.
Stattdessen dieses: „Die häufig gestellte Frage, warum der partielle Entwicklungsvorsprung der NS-Waffentechnik nicht zu einem siegreichen Kriegsverlauf für das Dritte Reich geführt hat, kann einfach beantwortet werden: Die Alliierten waren dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten in Bezug auf Produktionskapazitäten und Rohstoffnachschub immer überlegen.“ Schade aber auch! Demnach wäre mit einem effizienteren KZ- und Zwangsarbeitersystem, mit ein paar mehr Öl-Raffinerien in Rumänien und in den Weiten Russlands der „Endsieg“ sicher gewesen. Oder wie sonst ist das gemeint?
Ein Technikmuseum stellt Technik aus. Hier wird gezeigt, was Technik bewegt hat. Gesagt werden muss aber auch, was mit Technik angerichtet wurde. Natürlich darf in einem Technikmuseum das Technische faszinieren. Allerdings hat ein Technikmuseum genauso darauf zu achten, wie und wen das Technische faszinieren soll. Wer also wie Steinle von der Heinkel 162 als „technisch interessanter Notlösung“ fasziniert ist, muss als verantwortlicher Ausstellungsleiter auch kommunizieren, wie gefährlich leicht es ist, der Faszination des Schreckens zu erliegen.
Stiftung Deutsches Technikmuseum, Trebbiner Straße 9, Berlin-Kreuzberg. Di-Fr 10.30 bis 17.30 Uhr, Sa-So 11.30 bis 18 Uhr. (Von Frank Kallensee)