EADS Talarion – Analyse und Alternativen
Die Diskussion um Entwicklung und Beschaffung der Talarion-Drohne von EADS spitzt sich vor dem Hintergrund des operationellen Bedarfs für MALE-Drohnen, der europaweiten Sparanstrengungen in den Verteidigungshaushalten sowie dem aktuellen Programmstatus immer weiter zu. So steht nach Abschluss der Risk Reduction Study nun eine Entscheidung an, wie es mit der Drohne weitergeht. Nachdem zuerst auf eine politische Entscheidung zur Beschaffung gedrängt worden ist, zeigten letzte Äußerungen von Gerwerth und Zoller, dass man auch ohne staatlichen Auftrag die Entwicklung (vorläufig) fortführen wird.
Das Ziel dieses Beitrages ist es nun, zum einen die konzeptionelle Auslegung von Talarion einzuordnen und zum anderen die rüstungspolitischen Hintergründe und Optionen zu analysieren, um darauf aufbauend Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Zur Einordnung von Talarion in die Drohnenlandschaft dient eine Betrachtung der Einsatzprofile moderner UAV.
Dabei lassen sich idealtypisch zwei Richtungen der Drohnenentwicklung ausmachen:
Kategorie a):
(MALE-) Drohnen mit ISR-Auftrag für asymmetrische Konflikte ohne nennenswerte Gefährdung durch LV-Systeme
Dieser Bereich ist mit Predator und Reaper bzw. Hermes und Heron derzeit fest in der Hand von US- bzw. israelischen Herstellern.
Jedoch nimmt die Anzahl/Intensität an (Entwicklungs-) Programmen in dieser Klasse stetig zu, wie BAE Mantis, Alenia Sky-X und TAI Anka zeigen – und halt auch EADS Talarion.
Die zentralen Entwicklungstrends in dieser Klasse sind neben der Steigerung der Vielseitigkeit und Durchsetzungsfähigkeit vor allem die Steigerung der Flugdauer.
Folgende Wege lassen sich dafür ausmachen:
1. Die Weiterentwicklung „konventioneller“ Konzepte (z.B. Kombination von Dieselmotoren mit CFK-Zellen etc.)
2. Die Nutzung neuartiger Antriebskonzepte (Wasserstoff oder Solar)
3. Der Einsatz von luftschiffartigen Gebilden.
Kategorie b):
(Stealth-)Drohnen für symmetrische Konflikte, die sich auch im „contested airspace“ durchsetzen können
Während Typen wie die RQ-170 oder die General Atomics Avenger eher im Bereich ISR angesiedelt sind, geht der zweite große Trend in Richtung Stealth-UCAS – neben diversen US-Programmen (z.B. UCLASS zum UCAS-Einsatz auf Flugzeugträgern) seien hier NEURON unter Dassault-Führung sowie BAE Taranis genannt.
Um nun eine Drohnen-Neuentwicklung aus militärischer Sicht zu rechtfertigen, müsste sie entweder einen signifikanten Fähigkeitszuwachs bringen oder deutlich geringere Beschaffungs- und Betriebskosten aufweisen.
Eine Einordnung von Talarion in Kategorie b) verbietet sich allein wegen der hochgradig fragwürdigen Überlebenschancen gegenüber einer leistungsfähigen Luftverteidigung. Von daher bietet sie kaum Fähigkeitszuwachs bezüglich der Durchsetzungsfähigkeit der Luftwaffe in symmetrischen Konflikten.
Aber auch bezogen auf existierende Drohnen der Kategorie a) bietet Talarion zwar einige Leistungszuwächse (wie z.B. in der Geschwindigkeit), deren militärische Bedeutung sind in der ISR-Rolle jedoch als gering zu bewerten. So bemerkte Lt. Gen. Dave Deptula, USAF intelligence chief: “We’re not looking for the next version of the MQ-9 that can fly faster and go higher.”
Besonders kritisch ist Talarion bezogen auf die Entwicklungstrends im Drohnenbereich der Kategorie a) zu beurteilen. Weder die Vielseitigkeit (z.B. gegenüber der Reaper), noch die Durchsetzungsfähigkeit, noch die Flugdauer wird gegenüber marktverfügbaren Systemen signifikant erhöht.
Der Bereich Beschaffungs- und Betriebskosten wird von EADS nicht thematisiert, was eher auf einen Anstieg gegenüber marktverfügbaren Systemen schließen lässt.
Aus militärischer Sicht gibt es dementsprechend keine Begründung für die Weiterverfolgung des Talarion-Programms durch die Bundeswehr.
Traditionell liegt des Pudels Kern von Militärprogrammen nun aber im industriepolitischen Bereich. Dieser soll nun folgend genauer in den Blick genommen werden.
Das primäre industriepolitische Ziel von Talarion ist der Aufbau von UAV-Kompetenzen durch EADS – nicht nur für den militärischen Bereich. Nun soll dieser – unbestreitbar wichtige – Know-how-Erwerb aus dem Verteidigungshaushalt finanziert werden und in der Beschaffung eines teuren, militärisch nicht notwendigen UAV aufgehen.
Zur Bewertung dieses Vorgehens ist ein Blick auf mögliche Alternativen zu werfen.
Die erste Alternative zu Talarion wäre die Entwicklung eines Stealth-UCAS, welches aus militärischer Sicht deutliche Fortschritte bringen würde.
Dagegen sprechen jedoch einige Argumente.
Erstens wird von EADS ins Feld geführt, dass dies erst der zweite Schritt sein kann, wenn man zuerst eigene Drohnenerfahrung gesammelt hat. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob diese ersten Erfahrungen nicht auch mit ausländischen Drohnen gesammelt werden können. Somit könnte man eine Generation überspringen und entsprechende Entwicklungskosten sparen.
Zweitens stellt sich die Frage nach den Kooperationspartnern. Bei Neuron sind unter Dassault-Führung alle großen europäischen Flugzeugbauer beteiligt – außer EADS (F und D) sowie BAE –, so dass insbesondere Frankreich kein gesteigertes Interesse hat, eine Konkurrenzentwicklung von EADS zu fördern. Die Beteiligung Frankreichs und Spaniens an Neuron fördert auch nicht unbedingt deren Engagement für Talarion.
Drittens passt ein UCAS nicht in die Produktionsplanung von EADS. Zur Auslastung von Manching benötigt man ab ca. 2016 nach Ende der Eurofighter-Fertigung ein Nachfolgeprodukt. Technologisch Anspruchsvolles könnte es aber erst 5-10 Jahre später serienreif geben. Nur technologisch Anspruchsloses wie Talarion gibt es passend zum Ende der Eurofighter-Produktion.
Viertens und abschließend gibt es – zumindest in Deutschland – derzeit keine erkennbare Mehrheit, für mehrere Milliarden Euro ein Stealth-UCAS zu entwickeln und ab ca. 2020/2025 zu beschaffen.
Die zweite Alternative wäre – zumindest von politischer Seite – ein Verzicht auf die Förderung von UAV-Fähigkeiten auf Systemebene.
So könnte man sich entscheiden, Kompetenzerwerb im allgemeinen Bereich der unbemannten/autonomen Systeme auf Bereiche zu beschränken, in denen es bestehende, konkurrenzfähige wehrtechnische Kerne gibt. Aus dieser Sicht wäre die Entwicklung von Landsystemen und vor allem Unterwassersystemen zu fördern.
Alternativ könnte man sich auf anspruchsvolle Teilgebiete bei UAV beschränken, um sich damit bei komplexeren Programmen „einzukaufen“. Hier sei als Beispiel die Sensorentwicklung für die Herstellung/Verbesserung der Situational Awareness im Luftkampf genannt, ein Problem das derzeit meinem Wissen nach nicht einmal ansatzweise zufriedenstellend gelöst ist.
Die industriepolitische Akzeptanz dieser zweiten Alternative darf zurecht angezweifelt werden.
Die dritte Alternative wäre das Aufgreifen und Verfolgen neuartiger Konzepte im Bereich UAV.
So muss man sich die Frage stellen, ob es unbedingt neue Hardware sein muss. Mit der Stemme S 10 (bzw. SAGEM S 15 Patroller) oder Grob Egrett gibt es bestehende Fluggeräte, die sich sowohl direkt als ISR-UAV einsetzen lassen als auch den Ausgangspunkt für zukünftige UAV-Entwicklungen darstellen können. Auch an diesen Systemen kann man Punkte wie Einbindung in den Zivilluftverkehr, offene Systemarchitekturen für Bodenstationen, Wasserstoffantriebe etc. erproben, entwickeln und – wenn der politische Wille vorhanden ist – zur Einsatzreife führen. Ein Vorteil wäre dabei nicht zuletzt, dass man verstärkt mittelständische Unternehmen (wie in Österreich Schiebel) fördern kann, die eher zu innovativen Ansätzen, neuartigen Lösungen und v.a. bezahlbaren Konzepten neigen, als der bekannte Konzern mit den vier Buchstaben.
Aus nationaler Sicht betrachtet fehlen aber in Deutschland derzeit (noch) Technologiekonzerne, die den kleinen Unternehmen auf dem Weg zur UAV-Entwicklung beistehen können und anschließend Serienfertigung und Vermarktung unterstützen. Am ehesten könnten vielleicht Diehl, Rheinmetall oder OHB diese Funktionen übernehmen. Entwicklungen in dieser Richtung sind zu beobachten.
Eine Zukunftsperspektive zum Thema Nutzung bestehender Hardware wäre zudem die Ausweitung auf existierende Kampfflugzeuge. Vergleichbar zum Forschungsprogramm der USAF, A-10 unbemannt zum CAS einzusetzen, könnte man eine unbemannte Tornado-Version entwickeln, um z.B. risikoreiche OCA-Einsätze in symmetrischen Konflikten zu fliegen. Vor dem Hintergrund, dass in wenigen Jahren tausende Tornados, F-16 und F-18 zwar z.T. abgeflogen, jedoch immer noch einsatzfähig in Depots eingelagert sein werden, besteht hier potentiell ein großer Zukunftsmarkt. Insbesondere vor dem Hintergrund schrumpfender Flotten taktischer Kampfjets, kann diese Reserve somit militärisch nutzbar gemacht werden.
Diese dritte Alternative erscheint dem Autor als eine smarte, dem innovativen Charakter von UAS entsprechende Herangehensweise. Dennoch bleiben auch hier Herausforderungen wie die Überführung innovativer Entwicklungen in marktfähige Produkte sowie nicht zuletzt die Einbindung in den Rahmen europäischer Entwicklungsprogramme.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Talarion-Drohne keinen nennenswerten militärischen Fähigkeitszuwachs erbringt. Deren Entwicklung und Beschaffung wäre nicht mehr als ein teures, industriepolitisch begründetes Förderprogramm für EADS.
Als Alternative erscheint insbesondere die Schwerpunktsetzung auf innovative Forschungsansätze unter Einbeziehung mittelständischer Unternehmen ein möglicher Weg, von dem nicht zuletzt die militärischen Fähigkeiten profitieren können.
Die politischen und wirtschaftlichen Strukturen für eine erfolgreiche Beschreitung dieses Weges können in absehbarer Zeit geschaffen zu werden.