Abschüsse während des Kalten Krieges

Diskutiere Abschüsse während des Kalten Krieges im Andere Konflikte Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Powers' Ausstieg aus der U-2B Ja, die sowjetische Luftabwehr ist gewissermaßen über ihr Ziel hinaus geschossen... Wer mit dem damaligen...
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Powers' Ausstieg aus der U-2B

Ja, die sowjetische Luftabwehr ist gewissermaßen über ihr Ziel hinaus geschossen...
grinch schrieb:
Womit begründete Powers denn seinen bewussten Verzicht auf den Schleudersitz?
Wer mit dem damaligen Rettungssystem der U-2 vertraut war, hatte guten Grund, ihm nicht zu trauen. Die U-2 ist ursprünglich ohne Schleudersitze entworfen worden, und so hat Lockheed nachträglich einen sehr einfachen und leichten Sitz für das enge Cockpit entwickelt. Es bestanden Befürchtungen, dass der Sitz nicht durch die hartgefrorene Plexiglashaube hindurch schießen konnte und er erhielt darum einen speziellen Dachsprengbügel, auf den Captain F. G. Powers aber trotzdem nicht vertraute.

Zum Zweiten hatte der frühe U-2-Schleudersitz keine Beinrückholschlaufen, so dass die Fliehkräfte bei einem Ausschuss die Beine strecken würden. Powers hatte Angst, dass der Cockpitdachrahmen sie ihm auf Kniehöhe abtrennen könnte. Diese Befürchtung war nicht ganz unbegründet, denn Major Chang von der RoCAF [vgl. Beitrag #306] hat sich sehr wahrscheinlich auf genau diese Weise die Beine gebrochen.

Ich bin gewiss nicht notorisch leichtgläubig, grinch. Aber wann und ob es jemandem gelingen darf, ein Cockpit zu verlassen, lasse ich mit Blick auf die Fügungen des Schicksals mal dahin gestellt. Leute wie 1Lt. Cliff Judkins haben schon praktisch bewiesen, was theoretisch nicht geht. Stichwort: Ausstieg auf FL 150 aus der F-8E Crusader, ohne Schleudersitz und ohne Schirmentfaltung in den nassen Pazifik hinab.

Salü ;)
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Schorsch

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Wenn das Triebwerk tot ist (und davon ist auszugehen), kann die U-2 sicherlich relativ bequem mit 150 KCAS daher fliegen. Der dynamische Druck ist also auch nicht größer als bei einer Me-109. Und der Wille versetzt bekanntlich Berge.

Fakt ist, bei einem Flugzeug wie der U-2 kann man auf einen Schleudersitz verzichten, weil das Flugzeug eben langsamer fliegen kann.
 
radist

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...
Jedenfalls ist von der U-2 so viel übrig geblieben, dass man einen Nachbau versuchen konnte, der dann aber just an diesem extremen Leichtbau scheiterte, in dem die Russen nicht gerade die Meister sind.:D
Hier noch ein Bild des versuchten Nachbaus Berijew S-13:http://www.airwar.ru/enc/spy/s13.html
Hast Du den Text gelesen, oder ging es Dir nur um das Bild?
 
thud68

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Все шло в соответствии с планом
Stößt dir das auf?:D

Ich habe mich auf das bezogen::TD:
В начале 1961-го выявилась тенденция увеличения веса самолета. Например, масса шасси возросла со 100 до 150 кг, станция радиоразведки потяжелела на 10 кг, стремительно "наливались тяжестью" другие системы и агрегаты. Увы, наша тогдашняя культура производства не позволяла выдержать американские весовые нормы
 
mcnoch

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Huhu, was für englische Textpassagen gilt, gilt auch für russische: Bitte Übersetzung beifügen!
 
grinch

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wahrscheinlich irgendein Flugplatz
@Luftpirat

die Probleme mit dem Schleudersitz der U-2 kannte ich nicht. Danke!

150KCAS in FL340 dürfte deutlich unter der Mindestgeschwindigkeit einer zerbrechenden U-2 liegen?
 
radist

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Die Zitate sind wohl speziell für mich, also bitte:


Stößt dir das auf?:D

Ich habe mich auf das bezogen::TD:
"Alles verlief in Übereinstimmung mit dem Plan, ..."

Nein, das stößt mir nicht auf - aber der Satz geht nach dem Komma noch weiter, den Teil hast Du dann geflissentlich ausgelassen.

Über "Leichtbau" in der SU kann man sicherlich streiten, man sollte aber unterscheiden, ob es um Systeme und Anlagen oder um die Zelle ging. Es gab Normen für die Festigkeitsberechnng von Flugzeugen, Mjasischtschew traf auf dieses Problem bei der Entwicklung der M-17/M-55. Sein OKB schlug vor, diese Normen zu Unterschreiten, da sonst bestimmte Flugleistungen nicht zu erbringen waren. Die Folge währen Beschränkungen für bestimmte Flugzustände gewesen (die es bei der U-2 zu Hauf gab) - der Vorschlag wurde vom Auftraggeber (Militär) abgelehnt.

"Anfang 1961 zeigten sich Tendenzen einer Massenerhöhung des Flugzeuges. Z. B. wuchs die Masse des Fahrwerkes von 100 auf 150kg, die Station für die Funkaufklärung wurde 10kg schwerer, zielstrebig "setzten" auch andere Systeme ud Aggregate mehr Masse an. Leider, unser damaliger Stand der Produktionskultur gesattete es nicht, die amerikanischen Gewichtsnormen einzuhalten..."


Aber es freut mich schon, dass Du den Text offensichtlich gelesen hast.:TD:
 
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"Leider, unser damaliger Stand der Produktionskultur gestattete es nicht, die amerikanischen Gewichtsnormen einzuhalten..."

Aber es freut mich schon, dass Du den Text offensichtlich gelesen hast.:TD:
Ja, Herr Perewotschik, auch unser Matthias hatte Russisch in der Schule. ;) Und wenn ich den obigen Satz lese, finde ich thud's Feststellung zu den industriellen Fähigkeiten des OKB Suchoj im Metallleichtbau auch zutreffend.

Ob die Rote Luftwaffe mit so einem zerbrechlichen Ding wie der U-2 geflogen wäre, ist eine Sache. Sie gewichts-, leistungs- und abmessungsmäßig gleichwertig nachbauen zu können, eine andere. Um das letztere Kriterium geht es hier, und das scheint Suchoj nicht geschafft zu haben, wenn man der o. g. Quelle glauben darf.
 
radist

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@ Luftpirat
Nun kann ich Deine Aufregung nicht verstehen.
Aber zum Inhalt:
Nur um Metalleichtbau im OKB Suchoj ging es zu keiner Zeit, im OKB Berijew sollte die U-2 nachgebaut werden. Es ging also nicht nur um die Zelle sondern auch um Systeme und Aggregate.
Das vorhandene (niedrige) Niveau der Produktionskultur wurde von mir nicht in Frage gestellt - es zeigte sich als Problem auch bei anderen Themen. Nur schien mir das von thud68 zu kurz/rduziert dargestellt. Darum auch mein Hinweis auf Randbedingungen.
Es wurde um Übersetzung gebeten - das habe ich bei meiner Antwort gleich mit gemacht - entschuldigung.
 
thud68

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Das Problem lag wohl mal wieder bei der politischen Führung. Einfach so den Befehl "Nachbauen!" zu geben, ist natürlich idiotisch.
Zum einen wären da die ganzen nichtmetrischen Normteile zu bedenken. Da diese nicht zur Verfügung standen und Kelly's Bande eh' schon am und unter dem Festigkeitslimit gearbeitet hat, mußte man wohl oder übel immer die nächst größere Nummer aus dem GOST-Katalog nehmen. Bei einer Tu-4 mag das nicht so tragisch sein, aber bei einer U-2, bei der es auf jedes Kilo ankommt, muß das sofort in die Hose gehen.
Zum anderen, was wollte man schon mit einer solchen Kiste? Das konnte der KGB vom Boden aus viel besser.;)
@radist: Danke für die Übersetzung! Ich rate nämlich immer nur, was das so heißen könnte!:TD:
 
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What if... the USSR had an S-13?

@ Luftpirat
Nun kann ich Deine Aufregung nicht verstehen.
Aber zum Inhalt:
Nur um Metalleichtbau im OKB Suchoj ging es zu keiner Zeit, im OKB Berijew sollte die U-2 nachgebaut werden. Es ging also nicht nur um die Zelle sondern auch um Systeme und Aggregate.
Ich hab' mich doch gar nicht aufgeregt. :engel:

Und nun sind wir uns ja alle Drei einig, dass es auf alle Komponenten ankam, es dem kapitalistischen Höhenflieger technisch gleich zu tun... und dies aus mehreren Gründen nicht gelang. Das muss nicht heißen, dass die beteiligten OKB's schlecht gearbeitet hätten, sondern es könnte auch daran liegen, dass Lockheed unerreichbar gut gearbeitet hat: Wir erinnern uns, dass Lockheed die drei ursprünglichen Konkurrenzentwürfe von Bell, Fairchild und Martin nach eigenem 'Seiteneinstieg' ins Projekt locker abgehängt hat. ;) Die Spionageüberflüge mögen völkerrechtlich verwerflich gewesen sein, aber die Lockheed U-2 halte ich dennoch für eine ingenieurtechnische Meisterleistung, wie Mr. C. L. Johnson derer so einige ausgebrütet hat.

Mit einer eigenen U-2 wäre die Sowjetunion übrigens bei Weitem nicht so weit gekommen wie die USA damals gekommen sind, weil die Luftverteidigung über der westlichen Hemisphäre sehr früh sehr gut ausgebaut war:

Das NORAD hatte 1955 bereits eine umfassende Frühwarnlinie (Distant Early Warning Line) aus Radarstationen von Japan bis zum Nordkap, und die weiten Seegebiete dazwischen wurden mit ständigen AEW&C-Patrouillen per Lockheed Warning Star beflogen. Außerdem hatte die Angst bzw. Panikmache vor sowjetischen Bomberangriffen zu einem zügigen Aufbau einer integrierten Luftverteidigung rund um und über Nordamerika geführt.

Außerdem gab es anders als rund um die Sowjetunion herum (Türkei, Pakistan, Japan, Norwegen, Westdeutschland) keine entsprechende 'Peripherie' für Grenz- und Überflüge sowjetischer Aufklärer über den USA.

In der damaligen strategischen Situation (1955-1960) hätte der Sowjetunion ein 'Produkt U' wie z. B. eine Beriew S-13 viel weniger genützt als eine Luftabwehrrakete, die der Lockheed U-2 ebenbürtig war und den Überflügen eine Ende setzte. Und die S-75 'Dwina' war schließlich eine hinreichende technische Lösung des Problems. Ich sage mal: sie kam spät, aber nicht zu spät.

Gruß
Luftpirat

PS: Wir wissen nicht nur deine Russisch- sondern vor allem deine Fachübersetzer-Kenntnisse übrigens sehr zu schätzen, radist. :TOP:
 
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@ thud68
@ Luftpirat

:TD:Ja, schön dass wir mal drüber gesprochen haben :TD:
 
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Exactement!
Die Russen hätten eine U-2 kaum gebrauchen können.
Ich denke sie hätten ohne Probleme eine vergleichbare Maschine bauen können, die U-2 war technologisch nichts besonders kompliziertes.

Ganz nebenbei konnten die Russen die Anzahl der US-Bomber und Raketen relativ aufwandsneutral der New York Times entnehmen.
 
radist

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Exactement!
Die Russen hätten eine U-2 kaum gebrauchen können.
Ich denke sie hätten ohne Probleme eine vergleichbare Maschine bauen können, die U-2 war technologisch nichts besonders kompliziertes.

Ganz nebenbei konnten die Russen die Anzahl der US-Bomber und Raketen relativ aufwandsneutral der New York Times entnehmen.
Das, und die von Luftpirat so wie thud68 angerissenen Gründe sind sicherlich die Basis für eine Entscheidung, den Nachbauversuch 1962 zu stoppten.
Auch war ja seit 1959 ein, wie Schorsch es nennt "vergleichbares Flugzeug", in der Erprobung - die Jak-25RV.
http://www.airwar.ru/enc/spy/yak25rv.html
1962 war man sich wohl schon sicher, dass es fliegt. Der tatsächliche Einsatz hielt sich dann aber auch in Grenzen.
 
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Spionageballone über den sozialistischen Bruderländern

Man liest: „Nachdem die Sowjetunion festgestellt hatte, dass ihre damalige Abfangjägergeneration die Lockheed U-2 nicht abfangen konnte, wurde 1958 ein Eilprogramm für einen Höhenaufklärer/Höhenjäger aufgelegt, aus dem ein Jahr später die Jakowlew Jak-25RW hervor gegangen ist.“ Das hört sich an, als hätten die Überflüge der U-2 die Sowjets überhaupt erst auf die Idee eines solchen Flugzeugs gebracht.

Schorsch schrieb:
Ich denke sie hätten ohne Probleme eine vergleichbare Maschine bauen können, die U-2 war technologisch nichts besonders kompliziertes.
Das glaube ich mal eher nicht! Um die nötige Dienstgipfelhöhe zu erreichen, wurde eigens ein Zweiwellentriebwerk für die Jak-25RW entwickelt, das Tumanski R-11W-300. Trotzdem wird berichtet, dass die VVS unzufrieden mit der erzielten Höhenleistung war, und stark vibriert haben soll die „Alraune“ auch, ganz abgesehen von der hohen Arbeitsbelastung des Piloten beim Bedienen der unzureichend automatisierten Instrumente. Um Gewicht einzusparen, wurde auch eine unbemannte Version der ‚Mandrake’ gebaut, die Jak-25RW-II, die aber schließlich nur als hochfliegende Zieldrohne für die PVO zum Einsatz kam.

Die Jak-25RW soll aber als Aufklärer entlang der Westgrenze der Warschauer Vertragsstaaten und sogar über China, Pakistan, Indien, Nordjapan und dem Nahen Osten eingesetzt worden sein. Hierüber habe ich bisher noch nichts gehört. Weiß jemand Näheres, und waren diese Einsätze konfliktträchtig?

In ihrer Zweitrolle als Höhenjäger wurden einige Jak-25RW angeblich mit einer einzelnen NR-23-Bordkanone ausgestattet und zu Abfangtests eingesetzt. Da die Jak-25RW auf ihrer Gipfelhöhe von 20.000 m ebenso wie die U-2 an der kritischen Machzahl flog, war sie mangels eines nötigen Geschwindigkeitsüberschusses als Abfangjäger einer U-2 aber von vornherein ungeeignet. Hierzu bedurfte es eines hoch fliegenden Überschallflugzeugs oder einer weitreichenden Boden-Luft-Rakete.

Die Abfangtests waren wohl viel eher gegen westliche Aufklärungsballone gerichtet, die meist in 13.000 bis 15.500 m (Ballontyp 66CT) bzw. bis 18.000 m Höhe (Ballontyp 128TT) unterwegs waren. Voraus gesetzt, man erreichte sie, konnte man wasserstoffgefüllte Ballone abschießen; und ihre heliumgefüllten Geschwister konnte man wenigstens durchsieben und damit langsam von ihrer Einsatzflughöhe herunter holen.

Derlei Ballone waren klassische Vorläufer der Satellitenaufklärung, und in den 1950er Jahren betrieben die USA mit dem sog. „Waffensystem WS-119L“ Projekte wie ‚Drag Net’‚ ‚Grandson’, ‚Grayback’ oder ‚Genetrix’, die aber bei Weitem nicht den Bekanntheitsgrad der bemannten Aufklärungsflüge erreichten, weil sie zum einen ‚top secret’ waren und zum anderen gern als Wetterballone bezeichnet wurden. Erst 1998 wurden die US-Akten über diese Programme freigegeben.

Die Ballon-Einsätze, die von den ‚Air Intelligence Service Squadrons’ (AISS) der USAF zumeist von Westdeutschland (Giebelstadt und Oberpfaffenhofen) und der Türkei (Adana/Incirlik) sowie seltener von Norwegen (Gardermoen) und Schottland (Everton) aus gestartet wurden, waren aber nicht von dem erhofften Erfolg gekrönt, da die Ballone den Launen der Windverhältnisse ausgeliefert waren und daher nicht direkt – und nicht in der Idealhöhe - über ihre Ziele gelenkt werden konnten. Die Aufnahmen wurden in vorprogrammierten Zeitabständen von mehreren Minuten geschossen, während sich die Gondel langsam um die eigene Achse drehte. Oberhalb 28.000 m Höhe platzten die Ballone und unter 15.000 m Höhe waren sie leicht abzuschießen. Mindestens fünf von Westdeutschland aus gestartete Ballone sind von der tschechoslowakischen Luftwaffe abgeschossen worden - möglicherweise noch bevor sie ihre Einsatzhöhe erreicht hatten.

Die Sowjets haben ebenfalls einige Ballone abgeschossen und offiziellen Protest beim ‚Absender’ und der Fédération Aéronautique Internationale (FAI) eingereicht. Die USAF hat sich dann mit der Erklärung entschuldigt, dass ihre Ballone halt vom Kurs abgekommen seien. Gekennzeichnet waren sie ohnehin alle als Wetteraufklärungsgeräte, und selbst die beteiligten Militäreinheiten wie z. B. die Luftrettungsstaffeln hielten sie mangels Einweihung für harmlose Wetterballone.

Nach Verlassen des feindlichen Luftraums wurde die etwa kühlschrankgroße Ballonlast (i. d. R. eine 200-kg-Aufklärungskapsel vom Typ AN/DMQ-1) entweder automatisch per Zeitprogrammierung oder aber bei Sichtkontakt von einem speziellen Flugzeug aus per Funksignal ausgeklinkt. Der schwimmfähige, in Leuchtfarbe gestrichene Fiberglas-Behälter schwebte dann mitsamt seinen schaumgummi-isolierten Großformatkameras am Fallschirm hernieder und wurde im Flug ‚aufgegabelt’.

Wenn dies nicht glückte oder nicht möglich war, sank der Behälter zu Boden bzw. zu Wasser und die nächstgelegene Luftrettungsstaffel in Alaska, Südkorea, Japan oder Taiwan wurde alarmiert, deren Hubschrauber bzw. Flugboote dann den Funkrufton der Gondel orten mussten, um sie entweder zu bergen oder zumindest zu zerstören.

Im Idealfall wurden die Aufklärungsgondeln, nachdem sie das nördliche Eurasien überquert hatten, unter Sichtflugbedingungen mit einer Fangvorrichtung, die an einem speziellen Flugzeug wie der Fairchild C-119J angebracht war, direkt aus der Luft geborgen. Der 456th Troop Carrier Wing der USAF aus Charleston/South Carolina unterhielt um 1955/56 zu diesem Zweck acht C-119J ‚Flying Boxcar’, und weltweit sollen damals insgesamt fünfzig solcher Maschinen bereit gestanden haben.

Die Bergungsrate eigener Ballone durch die USAF soll bei nur 7 - 10% (statt der erhofften 33%) gelegen haben, aber immerhin wurden bis zum Programmstopp 1956 acht Prozent der Erdoberfläche Chinas und der Sowjetunion fotografiert, wertvolle Höhenwetterdaten sowie Informationen über die Funktionsweise, Stärke und räumliche Verteilung der sowjetischen Luftabwehr gewonnen. All’ diese Informationen flossen in die Planung der bemannten Aufklärungsflüge ein.

Trotzdem richteten die tausenden Aufklärungsballone politischen Schaden an - vor allem diejenigen, die intakt in der UdSSR geborgen wurden. US-Präsident Eisenhower war nicht begeistert von diesem illegalen Aufklärungsmittel, nachdem die Sowjets das Angebot gegenseitiger „Open Skies“ abgelehnt hatten, und er nannte das ganze ‚WS-119L’ einen „schmutzigen Trick“. Im Februar 1956 ordnete er die Einstellung dieser Form der Ballonaufklärung an, und sie wurde weitgehend durch bemannte Aufklärungsflüge ersetzt. Hierzu wurden vor allem die U-2, die RB-47 und RB-57 eingesetzt.

Und ab 1959 wurden die Aufklärungsballone dann durch die technisch weitaus zuverlässigeren und effektiveren ‚Corona’-Satelliten abgelöst, deren erste Generation das selbe Kamerasystem verwendete, das in den Ballongondeln des ‚WS-119L’ steckte.

Warum das OKB Jakowlew allerdings erst 1971 einen speziellen Ballon-Abfangjäger (die Jak-25PA mit zusätzlicher Spannweite) gebaut hat, kann ich mir nicht erklären. Jedenfalls blieb es bei dem einen Prototypen, und mit seinen T-11W-300-Triebwerken soll er ohnehin untermotorisiert für seine angepeilte Einsatzhöhe gewesen sein.

Gruß :)
Luftpirat

(Foto einer Jak-25RW via ‚Les Ailes Rouges’)
 
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Die Jak-25RW soll aber als Aufklärer entlang der Westgrenze der Warschauer Vertragsstaaten und sogar über China, Pakistan, Indien, Nordjapan und dem Nahen Osten eingesetzt worden sein. Hierüber habe ich bisher noch nichts gehört. Weiß jemand Näheres, und waren diese Einsätze konfliktträchtig?
Da wissen "die Russen" offiziell auch nichts näheres.:D In der Monographie der Jak-25 der Awiazija Wremja von 6/97 bezieht man sich daher auch auf "westliche Quellen" und vermerkt, dass die Jak-25RW nicht über Westeuropa eingesetzt wurde, sondern sich der Einsatz auf China/Pakistan/Indien konzentrierte.
Immerhin wurden eine ganze Menge Jak-25RW gebaut -74 bemannte und 81 unbemannte. Die nachträgliche Ausrüstung dürfte aber einiges verraten. Die Ausrüstung mit Partikelsammlern RR8311-100 deutet darauf hin, dass man immer genau über den Stand der chinesischen Atomwaffenentwicklung informiert sein wollte.
Später gab es die Jak-25RRW mit "Wolna-S" Container zur Aufzeichnung des elektromagnetischen Spektrums, die gerade im Hochgebirge nützlich gewesen sein dürfte. Also mal eine Runde über den Wachan-Korridor segeln und dann schnell wieder zurück.
 
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Die Verhältnisse in den 50ern und frühen 60ern waren so, dass die Sowjets erfolgreich den Eindruck erweckten, sie hätten voll funktionsfähige und weitreichende Nuklearstreitkräfte. Das war ein klassischer Bluff.

Andersherum war den Sowjets Umfang der amerikanischen Streitkräfte relativ gut bekannt. Natürlich fehlten viele Details, aber die waren mit Quicksnap aus 20km Höhe auch kaum zu bekommen. Aber die Sowjets verfügten ja stets über hervorragende HumInt.
 
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Später gab es die Jak-25RRW mit "Wolna-S" Container zur Aufzeichnung des elektromagnetischen Spektrums, die gerade im Hochgebirge nützlich gewesen sein dürfte. Also mal eine Runde über den Wachan-Korridor segeln und dann schnell wieder zurück.
Warum meinst du, dass die RRW gerade im Hochgebirge nützlich gewesen sein soll? :?!
 
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Warum meinst du, dass die RRW gerade im Hochgebirge nützlich gewesen sein soll?
Na, Radar- und Funkschatten. Je höher das Ding fliegt, desto kleiner die sein, bzw. je höher die Berge desto größer das Funkloch. Sozusagen das ARD-Problem (AusserRaumDresden)- (f)liegt der Empfänger zu tief, kriegt er kein Westfernsehen!:TD:
 
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