shit happens...
Auch die 'Rheinische Post' hat nach Öffnung der britischen Archive diese Nachricht vor ein paar Tagen heraus gebracht:
Bestätigung der britischen Streitkräfte
Viersen/London (RP). 1984 stürzte auf dem Flugplatz Brüggen im Kreis Viersen eine Atomwaffe von ihrem Transportwagen. Das bestätigen jetzt erstmals die britischen Streitkräfte.
Bei der Atombombe, die 1984 von dem Unfall in Mitleidenschaft gezogen wurde, handelte es sich um eine Nuklearwaffe vom Typ WE 177 C, die die achtfache Sprengkraft der Atombombe von Hiroshima 1945 besitzt. Sie rutschte von ihrem Transportkarren und schlug aus 30 bis 40 Zentimeter Höhe auf den Betonboden. Dabei wurde der Transportcontainer verbeult. Der Atomsprengkopf der Bombe soll nicht beschädigt worden sein.
Eine entsprechende Nachricht des britischen Wissenschaftsmagazins „New Scientist“ vom Wochenende bestätigten gestern die britischen Streitkräfte in Mönchengladbach gegenüber unserer Zeitung. Offenbar rutschte die WE 177 bei Regen von ihrem Transportkarren, weil sie nicht richtig gesichert war.
Der Fliegerhorst, heute als Javelin-Kaserne Standort eines britischen Heeres-Fernmelderegiments, wurde an jenem 2. Mai 1984 sofort abgeriegelt. Vorsichtig machten sich Experten daran, den Transportbehälter und die Rakete teilweise zu zerlegen. Sicherheitshalber sei dann der Sprengkörper geröntgt worden, bevor er zur Reparatur nach Großbritannien ausgeflogen wurde. Die sechs Luftwaffensoldaten, die an dem Unfall in Brüggen beteiligt waren, sollen streng bestraft worden sein.
Die Briten hatten in Zeiten des Kalten Krieges ihre nukleare Bewaffnung als geheim eingestuft. So wurde grundsätzlich keine Information gegeben, ob in den damals zahlreichen Stützpunkten am linken Niederrhein Nuklearwaffen gelagert wurden. Auf dem Flugplatz der Royal Air Force Brüggen in Elmpt (Kreis Viersen), unmittelbar an der niederländischen Grenze gelegen, waren unter anderem „Jaguar“-Jagdbomber stationiert, die die WE 177 als „taktische Gefechtsfeld-Waffe“ hätten einsetzen können.
Die Redakteure des „New Scientist“ durften erst jetzt vom britischen Verteidigungsministerium freigegebene Dokumente einsehen, in denen Pannen mit Atomwaffen aufgelistet sind. Der Zwischenfall im Kreis Viersen soll von den Briten als einer der beiden schwerwiegendsten Unfälle mit Atomwaffen in den 80er Jahren eingestuft worden sein.
Der zweite Unfall ereignete sich am 3. Dezember 1987 in einem britischen Hafen: Eine Polaris-U-Boot-Rakete geriet am Haken eines Kranes in Schwingungen und schlug gegen das Transportfahrzeug - zum Glück ohne Folgen.
Auf der Liste des Verteidigungsministeriums findet sich nach Angaben der Zeitung „Guardian“ auch ein Hinweis auf einen zweiten Unfall mit einer Nuklearwaffe am Niederrhein. Auf dem Flugplatz Laarbruch bei Weeze, heute der zivile Flughafen Niederrhein, stürzte demnach am 2. November 1974 ebenfalls eine WE 177 auf den Betonboden, als sie an ein Kampfflugzeug montiert werden sollte. Das Bodenpersonal kam auch in diesem Fall mit dem Schrecken davon.
Schön, dass sie dabei auf Panikmache verzichtet und sachlich berichtet. Auch als überzeugter Atomkraftgegner kann man (als Redakteur) auf Bezeichnungen wie "beinahe zur Katastrophe", "schaurig" oder "zitternde Hände" verzichten. Der 'Spiegel online' ist inzwischen echt
unter aller Kanone.
Solche Unfälle mit Atomwaffen sind während des Kalten Krieges zig-fach vorgekommen, und keine einzige Bombe ist explodiert. Das wäre uns wohl auch nicht zu verheimlichen gewesen.
So lange der Zünder nicht geschärft ist, kann er die Zündung nicht auslösen. Die Zündung erfolgt gewöhnlich elektrisch und zündet einen konventionellen Sprengstoff, der den Kernsprengstoff zu einer kritischen Masse verdichtet und so eine Kernspaltung auslöst.
Der Druckanstieg, den zum Beispiel
- ein Sturzflug eines mit Atombomben beladenen Flugzeugs,
- eine in tiefes Wasser sinkende Atombombe oder
- eine vom Flugzeug versehentlich auf die Erde gefallene Atombombe
erzeugt, genügt nicht, um eine Atomexplosion herbei zu führen. Wäre es so, hätte es bereits apokalyptisch laut geknallt.
Die akute Gefahr beim Fallenlassen liegt nicht in der Atomexplosion, sondern in der Freisetzung spaltbaren Materials durch den Bruch des Bombenmantels. Das wäre höchstwahrscheinlich Uran 235 oder Plutonium 239, die beide eine
halbwegs ungefährliche radioaktive Alphastrahlung mit einer Reichweite von ca. 10 cm freisetzen. Diese Strahlung ist bei Hautkontakt ungefährlich, verursacht bei Inhalation aber Strahlenschäden wie z. B. Lungenkrebs.
Es wäre also schön, wenn man in der Berichterstattung statt blanke Angst etwas mehr Wissen um die Geheimnisse der Atomphysik vermitteln würde. Das senkt dann zumindest die Risiken und Nebenwirkungen, denen der Leser bei der Lektüre einer solchen 'Bombenstory' ausgesetzt ist. ;)