Man sollte nicht den Fehler begehen, das "Produkt" der Lufthansa nur mit der Beförderung von A nach B gleichzusetzen. Natürlich kann prinzipiell auch eine andere Airline den gleichen Flug durchführen und natürlich werden auch anderswo gleichwertige Piloten ausgebildet und eingesetzt.
Es war aber immer auch Teil der LH, sich im Bereich Flugsicherheit/Safety stärker zu engagieren, als anderswo. Sowohl im Betrieb und dem Spannungsfeld "Kosten vs Safety" als auch in Forschung und Schulung. FORDEC ist maßgeblich in Zusammenarbeit mit der Lufthansa entwickelt worden, die CF-Info ist eine nicht nur im eigenen Konzern sehr hilfreiche Publikation, zahlreiche detaillierte Betrachtungen sind in das tägliche Handwerkszeug der Piloten nicht nur der LH eingegangen (CF-Stunde als Beispiel). Die interne (und non-punitive!) Untersuchung von Vorfällen und der Willen, diese zukünftig zu verhindern, stand sehr weit oben - auch unter Inkaufnahme von wirtschaftlichen Nachteilen. Verfahren in Zusammenarbeit mit ATC, mit den Flughäfen usw stützen sich maßgeblich auf die Arbeit der Flieger der LH. Zahlreiche Ausschüsse und Arbeitsgruppen für Flugsicherheitsaspekte auch außerhalb der LH sind durch LH-Personal aus der Taufe gehoben worden. Das LH-Personal war resilient und motiviert und sprang einem auch bei Problemen nicht gleich von der Fahne (erneut: alles nicht nur im Cockpit so). Die gut organisierte Pilotenschaft der LH konnte ihrem Konzern früher immer gut darlegen, warum stetiges "Minimum-Tanken" nicht gut und sogar insgesamt teurer ist - die Ryanair-Kollegen konnten unter dem gegebenen wirtschaftlichen Druck ähnliches (nachvollziehbarer Weise) nicht erreichen.
Die LH weiß eigentlich sehr genau, wieviel mehr handfest messbaren, wirtschaftlichen Vorteil sie von motivierten und gut bezahlten Angestellten hat, die den Markenkern der LH tragen und intrinsisch motiviert mit Mehrarbeit zum Vorteil des Konzerns engagiert sind. Wer hierzulande in einer Airline fliegt, der kennt die Arbeitsweise bestimmter Carrier z.B. aus dem nahen Osten - wo alles absolut nach Vorschrift gemacht wird und die Sorge vor einer Angreifbarkeit zu sehr unökonomischen Anflügen, sehr hoher Autopilotennutzung, Abbau der fliegerischen Fähigkeiten und vergleichsweise hohen Kosten führt.
Das alles war zumindest so. Ich teile die Ansicht, dass diese Vorteile seit Jahren erodiert werden und der sehr kurzsichtige Blick auf die direkten Kosten zu einem schlechteren "Produkt" und mittel- bis langfristig höheren Kosten führt. Wer stetig nur die Geringschätzung seines Arbeitgebers erfährt, andauernde Versuche von Tarifflucht miterlebt, der fliegt eben mehr und mehr auch so, wie er muss - und nicht mehr. Als Kapitän steht man bei jedem Kommandantenentscheid (Erweiterung der erlaubten Arbeitszeit in Ausnahmefällen) in einem unangenehmen Graubereich, der nicht firmenseitig angeordnet werden kann. Es reicht völlig, dass nach der Landung eine Flugbegleiterin aus versteckter Müdigkeit heraus eine Tür im falschen Modus öffnet und sich eine Rutsche entfaltet und der Kapitän ist arg in Erklärungsnot. Trifft man den Entscheid nicht, so sind die Kosten für die Airline sehr schnell enorm aber der Kapitän ist nicht angreifbar. Wohin tendiert wohl ein Angestellter, der stetig mit der Peitsche geführt wird? Es gibt unzählige ähnliche Beispiele.
Ich bin mir sicher, dass es im Bereich der Technik (und allen anderen Bereichen) prinzipiell ähnlich ist. Und tatsächlich ist es manchmal erschreckend, was man zurück erhält, wenn das Flugzeug auf einem anderen Kontinent in der Wartung war. Ja, so manches musste wohl geändert/angepasst werden (ÜV, Altersverorgung u.ä.) - aber nicht mit dem Holzhammer und nicht im Gegeneinander. Es ist schon ein starkes Stück, Corona für zahlreiche Entlassungen zu nutzen, mit Arbeitslosigkeit zu drohen, Tarifflucht zu betreiben - aber die angebotenen Hilfen/Kredite gar nicht voll zu nutzen und stattdessen mit zu wenig und demoralisierten Personal dazustehen und damit Ruf und Ertrag der Airline so zu belasten, wie das aktuelle Chaos es tut.
Ich glaube, für den wirtschaftlichen Erfolg und die Stärke der LH wäre so ein Gegeneinander nicht nötig.