„Ein unfreundlicher Akt"
Nach aktuellen Angaben der NATO sind Kampfflugzeuge des transatlantischen Bündnisses 2014 über 400 Mal aufgestiegen, um russische Militärflugzeuge im europäischen Luftraum zu begleiten. Der NATO-Generalsekretär fühlt sich angesichts der gestiegenen Manöveraktivitäten an sowjetische Zeiten erinnert. Über die Flugsicherheit sprachen wir mit Axel Raab, Sprecher der Deutschen Flugsicherung.
Herr Raab, wie groß ist real die Gefahr durch russische Militärflugzeuge für die zivile Luftfahrt?
In dem von uns kontrollierten Luftraum in Deutschland und über Nord- und Ostee hat es bisher noch keinen solchen Zwischenfall gegeben. Auch wenn die Gefahr eines Zusammenstoßes oder einer gefährlichen Annäherung sehr gering ist, können wir sie aber auch wegen der hohen Verkehrsdichte beispielsweise über der Ostsee natürlich nicht hundertprozentig ausschließen. Eine gewisse Gefahr geht von diesen Flügen schon aus, wie Beispiele aus Schweden zeigen. Und ich fürchte, dass wir noch eine ganze Zeit mit dieser unbefriedigenden Situation leben müssen, leider.
Sind die russischen Flugzeuge illegal unterwegs?
Die Flüge sind völlig legal. Die Bomber und Kampfjets bewegen sich ja im internationalen Luftraum, da kann jeder fliegen. Auch von feindlichen Handlungen, wie es der Begriff Abfangen suggeriert, kann zum Glück nicht die Rede sein. Allerdings hat sich der Sprachgebrauch – abfangen im Deutschen, intercept im Englischen – schon ziemlich in der Nachrichtensprache eingenistet. Aber er ist irreführend. Der Begriff identifizieren und begleiten trifft es besser.
Immer wieder kritisiert die NATO, dass die russischen Militärmaschinen ihre Transponder nicht einschalteten und sich auch nicht mit der zivilen Flugsicherung in Verbindung setzen. Sind die Vorwürfe berechtigt?
Gewiss, die Russen sind nicht verpflichtet, ihre Transponder einzuschalten oder einen Flugplan mitzuteilen. Sie müssen sich auch nicht mit der zivilen Flugsicherung in Verbindung setzen. Dennoch fliegen diese Maschinen ja nicht im Nirgendwo, sondern in Lufträumen, die natürlich auch kontrolliert werden. Und da sind wir auf den Good Will aller Verkehrsteilnehmer angewiesen, auch der russischen. Die russischen Flugzeuge machen nichts Strafbares, aber so zu handeln, ist natürlich alles andere als ein freundschaftlicher Akt, ja auch eine Provokation. Für die zivile Luftsicherung ist diese Situation gelinde gesagt unschön, weil die Militärflugzeuge nicht unbedingt auf ihren Radargeräten sichtbar sind. Deswegen steigen in solchen Fällen dann NATOAbfangjäger auf, setzen sich an die Seite der russischen Maschinen und schalten den Transponder ein. Die NATO-Jets sind für uns als zivile Flugsicherung gut sichtbar, wie eine Art Markierung. Notfalls können die Lotsen den zivilen Maschinen dann auch Ausweichrouten angeben.
Wie verhalten sich denn die westlichen Militärflugzeuge im internationalen Luftraum?
Wenn Bundeswehrflugzeuge in dem von uns kontrollierten Luftraum fliegen, in dem auch ziviler Flugverkehr abläuft, halten die sich an die geltenden Regeln. Was die NATO in den von Russland kontrollierten Luftraum insgesamt tut, dazu haben wir keine Erkenntnisse.
Das Gespräch führte Rainer Schmid